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Finanzierung

Bauzeit = Zinszeit: Warum Zwischenfinanzierungen über Erfolg oder Scheitern entscheiden können

Kirsten Weißbacher
Verfasst von Kirsten Weißbacher
Zuletzt aktualisiert: 18. Juli 2025
Lesedauer: 6 Minuten
© KI-generiert via FluxPro

Die Entscheidung für ein Bauprojekt zählt zu den weitreichendsten finanziellen Schritten im Leben vieler Menschen. Eine solide Finanzierung, die den wirtschaftlichen Anforderungen über die gesamte Bauzeit hinweg gewachsen ist, gehört dabei zu den wichtigsten Kernaspekten.

Was bei Bauprojekten oft unterschätzt wird

Nicht nur die Höhe des Darlehens oder die Baukosten spielen eine Rolle. Ein wesentlicher Faktor ist auch die Dauer des Bauprojekts. Denn mit jedem Tag, an dem der Baufortschritt ins Stocken gerät oder sich die Finanzierung verzögert, steigen Zinskosten und Liquiditätsrisiken.

Der Faktor Zeit wird damit zur betriebswirtschaftlichen Stellschraube, die über das Gelingen oder Scheitern eines Projekts mitentscheiden kann.

Gerade in Zeiten schwankender Bauzinsen und angespannten Lieferketten ist ein grundlegendes Verständnis der Finanzierungsmechanik während der Bauzeit wichtiger denn je.

Valutierung: Wenn die Kreditzuteilung in Teilbeträgen erfolgt

Die Vorstellung, ein genehmigter Immobilienkredit werde vollständig zur Verfügung gestellt, sobald der Kreditvertrag unterzeichnet ist, ist weit verbreitet, entspricht aber nicht der gängigen Praxis. In der Realität valutieren Banken Baukredite in Teilbeträgen, und zwar in Abhängigkeit vom Baufortschritt.

  • Nach Bauabschnitten: Nach Bauabschnitten wie Rohbau, Dach, Fenster oder Innenausbau werden jeweils im Kreditvertrag definierte Summen freigegeben.
  • Zahlungsplan: Grundlage ist meist ein detaillierter Zahlungsplan gemäß Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV).
  • Zeitliche Verzögerungen: Der Abruf von Raten kann durch bürokratische Hürden, fehlende Nachweise oder langsame Bearbeitung der Bank zeitlich verzögert werden.

Für Bauherren bedeutet das:

Sie müssen im Verlauf des Bauprojektes immer wieder das Kapital für anfallende Rechnungen vorstrecken, bevor die Bank den entsprechenden Kreditbetrag ausbezahlt. Außerdem müssen sie regelmäßig in Vorleistung gehen, wenn Handwerksbetriebe der unterschiedlichen Gewerke auf Anzahlung bestehen.

Durch diesen Umstand kann ein schwieriges Spannungsfeld für Bauherren bestehen, denn es laufen auch bereits Zinszahlen auf bereits geleistete Teilbeträge des Kredites auf. Die Immobilie selbst ist zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht nutzbar und kann den entstehenden Kosten noch nicht als realistischer Gegenwert gegenübergestellt werden.

Ein wichtiger Faktor: Die Bereitstellungszinsen:

Zusätzlich zu den kalkulierten Belastungen laufen je nach vereinbartem Kreditvertrag schon Bereitstellungszinsen auf noch nicht abgerufene Kreditsummen auf. Diese werden in vielen Fällen nach einer bereitstellungszinsfreien Zeit von nur 3 bis 6 Monaten fällig.
Diese Zinsen liegen aktuell durchschnittlich 0,25 % pro Monat, was einer Zusatzbelastung von 3 % pro Jahr entspricht. Damit kann die Belastung durch die Bereitstellungszinsen sogar noch höher ausfallen als die Bauzinsen selbst.

Bauverzögerungen: Wenn Zeit zum Kostenfaktor wird

Lieferengpässe bei Baumaterialien, überlastete Handwerksbetriebe, Witterungseinflüsse oder nicht abgestimmte Schnittstellen zwischen Gewerken – die Gründe für Bauverzögerungen können vielfältig sein.

Verlängerte Bauzeiten seit 2021

Während früher ein Einfamilienhaus in etwa 6-9 Monaten realisierbar war, liegt die Bauzeit heute häufig bei 12 bis 18 Monaten und geht teilweise noch weit darüber hinaus.

Längere Bereitstellungszins- zeiträumeZinsbindungen laufen bereitsDoppelbelastungen
Verursachen unnötige KostenAuch wenn das Bauobjekt noch nicht nutzbar istDurch Miete und Zinsen sind keine Ausnahme

Wer hier nicht vorausschauend plant oder auf eine flexible Finanzierung setzt, kann in ernsthafte Liquiditätsprobleme geraten. Dies ist ein Szenario, das nach Angaben des Bauherren-Schutzbunds e.V. bei einer nicht geringen Anzahl der privaten Bauprojekte zu erheblichen Schwierigkeiten führt.

Zwischenfinanzierung: Das stille Rückgrat vieler Bauprojekte

In Fällen, in denen Eigenkapital noch gebunden ist oder wenn ein klassisches Baudarlehen erst nach Eintragung im Grundbuch ausgezahlt wird, wird eine sogenannte Zwischenfinanzierung notwendig.

Diese fungiert als zeitlich befristetes Darlehen, das den Zeitraum zwischen Finanzierungsbedarf und Auszahlung überbrückt.

Kurzfristige LaufzeitHöhere ZinsenEingeschränkte Verfügbarkeit
Zwischenfinanzierungen sind meist kurzfristig angelegt, oft mit einer Laufzeit unter 24 Monaten.Die Zinsen sind variabel und liegen über dem Niveau klassischer Bauzinsen.Sie werden nicht von jeder Bank angeboten oder sind an bestehende Hauptfinanzierungen gebunden.

Ohne fundierte Finanzierungsplanung kann eine Zwischenfinanzierung schnell zur Kostenfalle werden. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig über Modelle zu informieren, die sich flexibel an den Bauverlauf anpassen lassen.

Flexible Darlehensmodelle: Spielräume für Bauzeit und Zinsentwicklung

Angesichts der hohen Komplexität moderner Bauvorhaben gewinnen modular aufgebaute, flexible Baufinanzierungen immer mehr an Bedeutung.

  • Bereitstellungszinsfreie Zeiten: Von bis zu 12 Monaten. Diese verlängerte Frist ist besonders wertvoll bei langen Genehmigungsverfahren.
  • Sondertilgungsrechte: Ohne Vorfälligkeitsentschädigung. Diese Option ist ein Plus bei frühzeitigem Verkauf einer Altimmobilie oder anderen zu erwartenden Kapitaleingängen.
  • Variabler Tilgungssatz: Der es Bauherren ermöglicht, ihre Finanzierung an sich verändernde Einkommenssituationen anzupassen.
  • Split-Modelle: Bei denen ein Teil des Darlehens mit fixer Zinsbindung und ein Teil variabel verzinst wird.

Für die Auswahl der richtigen Finanzierung ist nicht immer die Hausbank die beste Adresse. Banken und Kreditinstitute haben unterschiedliche Risikobewertungen, Produktportfolios und Konditionsmodelle.

Ein objektiver und unabhängiger Vergleich lohnt sich, denn die Unterschiede hinsichtlich Zinsen und sonstiger Vertragskonditionen können sich gravierend voneinander unterscheiden.

Wer sich für ein flexibles Darlehensmodell interessiert, sollte sich durch einen unabhängigen und unverbindlichen Angebotsvergleich im Internet einen Überblick über vorhandene Möglichkeiten verschaffen. Auf digitalen Vergleichsportalen lassen sich regionale und überregionale Angebote mit wenigen Angaben transparent miteinander vergleichen und nach individuellen Kriterien filtern.

Experten empfehlen deshalb, dass Bauherren jetzt Baufinanzierungen vergleichen und damit frühzeitig wirtschaftliche Freiräume und Planungssicherheit schaffen.

Zinsrisiken strategisch absichern – Forward-Darlehen und Co.

Ein weiteres Risiko für Bauherren und ihre Finanzstrategie ist die Veränderung des Marktzinses während der Bauphase. Zwischen der Finanzierungszusage und der tatsächlichen Auszahlung können Monate vergehen und der Zinssatz kann in dieser Wartezeit steigen.

Absicherungsmöglichkeiten für Bauherren

  • Forward-Darlehen: Mit denen der heutige Zinssatz für eine zukünftige Auszahlung gesichert wird – oft gegen einen geringen Zinsaufschlag.
  • Zinscap-Darlehen: Bei denen eine Obergrenze für den maximalen Zins vereinbart wird – ein Kompromiss zwischen Planungssicherheit und Flexibilität.
  • Reservefinanzierungen: Bei denen ein zusätzlicher Kreditrahmen für unvorhergesehene Kosten vorgesehen ist – oft als stille Sicherheitslinie.

Gerade bei größeren Bauprojekten oder bei Bauten auf eigenem Grundstück mit vielen Unwägbarkeiten kann eine solche Absicherung existenzsichernd sein. Die Experten der Verbraucherzentralen empfehlen daher, frühzeitig mit einem unabhängigen Finanzierungsberater zu sprechen.



Wer den Faktor Zeit unterschätzt, riskiert die Finanzierung

Der Bau einer Immobilie ist ein komplexer finanzieller Prozess, bei dem Zeit zu einem messbaren Kostenfaktor wird. Zwischenfinanzierungen, Bauverzögerungen, Zinsschwankungen und unflexible Kreditmodelle stellen enorme Risiken dar, insbesondere in einem volatilen Marktumfeld wie dem aktuellen.

Mit einer durchdachten Planung, dem Einsatz flexibler Darlehensmodelle und fundierten Vergleichsangeboten lässt sich die Zinszeit erfolgreich steuern. Wer die Baufinanzierung als strategisches Projekt versteht, kann sich nicht nur vor bösen Überraschungen schützen, sondern aus dem Zinsmanagement einen echten Wettbewerbsvorteil ziehen.

Über unsere*n Autor*in
Kirsten Weißbacher
Kirsten hat Germanistik in Hamburg studiert und im Anschluss ein Volontariat gemacht. Nach ihrem Start in der Unternehmenskommunikation eines lokalen Herstellers wechselte sie in die freiberufliche Tätigkeit. Seit Februar 2024 ist Kirsten bei Digitale Seiten und schreibt dort Ratgeber zu Handwerksthemen aller Art.